Rahel, Esther, Jules im Lake Bunyonyi |
Ich kann nicht mehr schlafen. Bin
gerade sehr unsanft von den Bauarbeitern unmittelbar vor meinem
Fenster geweckt worden. Wie im Moment eigentlich jeden Morgen. Ich
mein, was spricht auch dagegen, sein Handy mit voll aufgedrehter
ugandischer Musik genau (!) vor mein Fenster zu legen. War bestimmt
nur nett gemeint. Haha. Bin genervt. Das hat der Typ dann auch zu
spüren bekommen, als ich ihn höflichst gebeten habe diese Musik
bitte auszuschalten. Es tat ihm seinen Worten nach ganz schrecklich
leid. Bin gespannt welches Lied morgen dran ist …
Naja so komm ich wenigstens nochmal
dazu, euch hier ein Update zu geben.
In letzter Zeit ist viel passiert, ich
hab schon so einiges von Uganda als Land und auch von der Kultur
gesehen. Leider konnte ich deshalb weniger Zeit im Malayakahaus
verbringen, aber man kann halt nicht alles haben.
Anfang Oktober war ich mit Lena auf
einem Konzert in Kampala. Mir fehlt es irgendwie, auf Konzerte zu
gehen und ich wollte auch einfach mal wissen, wie ein Konzert in
Uganda so abläuft. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es für mich
persönlich der totale Reinfall war. Wir waren auf einem Konshens
Konzert … Sagt euch nix?! Gut, mir nämlich vorher auch nicht. Hab
dann leider auch erst viel zu spät gemerkt, dass das so gar nicht
meine Musik ist. Lena ist voll drauf abgegangen und hatte ne Menge
Spaß, was mich wirklich für sie freut, aber nach 6 Stunden
Rumstehen und gefühlten 100 kleinen Voracts hatte ich dann doch die
Nase voll. Hinzu kamen, wie so oft hier, Bauchschmerzen und
Magenfaxen. Die Location war ansonsten aber ganz cool, das ganze war
open air und die riesen Bühne auf dieser Wiese hat mich fast ein
bisschen ans Hurricane in Scheßel erinnert. Ach und, was vielleicht
noch zu erwähnen ist, sind die Frauen, die dort waren, die an dem
Tag ihre Klamotten glaub ich alle extra ne Nummer zu klein gekauft
haben und einfach nur billig aussahen. Lena's Gastvater, der uns
begleitet hat, hat nur geschmunzelt über unsere erschrockenen Blicke
und meinte, dass viele von denen auch hier sind, um am Ende einen
Mann mit nach Hause zu nehmen.
Esther und ich im Gomez |
Ich glaube ich bin nicht die einzige
der Freiwilligen, die hier hin gekommen ist, mit der Erwartung immer
Schulter und Knie bedeckt zu halten, Ausschnitt sowieso gar nicht zu
zeigen und sich auch sonst eher dezent zu kleiden. Die Frauen hier
sind teilweise das komplette Gegenteil. Das hätte ich absolut nicht
erwartet.
Am Abend des 8. Oktober haben wir dann
hier in Entebbe in den Unabhängigkeitstag von Entebbe
„reingefeiert“. 50 Jahre Independence war für uns ein Anlass,
die traditionelle Kleidung der Baganda anzuziehen. Es wurde groß im
Park gefeiert, mit Boxkämpfen, Rednern (wir haben mal wieder kein
Wort verstanden, weil alles auf Luganda war) und unendlich vielen
Tänzern. Zu diesen Tänzern gehörten auch wir. Das war ne super
coole Erfahrung dort auf der Bühne in bagandischer Kleidung zu
stehen und vor 100en von Ugandern zu tanzen. Wir wurden am Ende
richtig abgefeiert und ganz viele Menschen, die wir noch nicht mal
kannten haben sich bei uns bedankt, dass wir für sie getanzt
hatten. Das war echt irre irgendwie :-)
Am 13. Oktober sind wir dann
aufgebrochen zu unserer ersten großen Reise. Esther und ich
brauchten ein neues Visum (ja, meine ersten 3 Monate sind schon
rum...) und haben die Ausreise nach Ruanda mit einem Trip nach Kabale
am Lake Bunyonyi verbunden. Seit dem 12. ist auch Esther's Schwester
mit ihrem Freund hier zu Besuch, die zwei haben uns dann auf unserer
Reise begleitet.
Die Fahrt war ein Erlebnis für sich
und eigentlich könnte ich ihr sogar einen ganzen Blogeintrag widmen,
aber ich will mich fürs erste kurz halten, alles weitere dann, wenn
ich in 55 Tagen wieder zuhause bin.
Haben in Kabale eine
2-Tages-Kanu-Trekking-Tour gemacht. Dabei sind wir in kleinen
Holzbooten aus ausgehöhlten Baumstämmen über den Lake Bunyonyi
gepaddelt, haben die Inseln im Lake besucht, eine Nacht bei
Einheimischen auf einer Insel im Zelt verbracht, den Mount Karembe
bestiegen, Tänze der Einheimischen gesehen und – nicht zu
vergessen – immer unglaublich gut gegessen. Es war super
interessant und wir hatten ne Menge Spaß.
Einheimische einer Insel im Lake Bunyonyi tanzen für uns |
Esthi und Jules unterwegs in Ruanda |
Am 17. Oktober sind Esther und ich dann
alleine weiter Richtung Ruanda. Von Kabale aus wurde uns im Hostel in
dem wir geschlafen haben ein Fahrer empfohlen, der uns für
umgerechnet ca. 6 Euro nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas gefahren
hat. Anfangs war mir der Typ doch etwas suspekt aber es hat alles
super geklappt. Wir mussten beim Grenzübergang noch nicht mal unsere
Taschen aufmachen zur Gepäckkontrolle. Es ist nämlich nicht erlaubt
Plastiktüten mit nach Ruanda zu nehmen. Das Land ist in so vielen
Aspekten einfach komplett anders als Uganda. In Ruanda sucht man
vergeblich Berge von Müll, die man in Uganda so gewohnt war. In den
Supermärkten gibt es Papier- statt Plastiktüten, die Motorradtaxis
dürfen maximal eine Person mitnehmen und müssen außerdem Helme
tragen, es gibt hochmoderne Ampeln mit Countdown, wann man fahren
darf und nicht zu vergessen, man fährt wieder auf der rechten
Straßenseite. Ruanda ist unglaublich schön, auch wenn dort nicht
viel los ist. Peace, meine Gastcousine aus London hat mir vor unserer
Reise die Nummer von Danny gegeben, einem Freund in Ruanda. Er war
echt unser Held. Hat uns vom Taxipark abgeholt, uns eine Unterkunft
besorgt, uns rumgeführt, ist mit uns Taxi und Motorradtaxi gefahren,
hat uns gute Restaurants gezeigt und war einfach immer super lieb. Er
spielt Sitzvolleyball als nicht-behinderter und war letztes Jahr
sogar bei den Paralympics in London mit dabei. Unsere Zeit in Ruanda
war leider nur sehr kurz, nach 1,5 Tagen saßen wir schon wieder im
Bus nach Kampala.
Danny - thanks for guiding us around! |
Besonders eindrucksvoll war auch der
Besuch des Genoziddenkmals in Nyamata, eine dreiviertel Stunde
entfernt von Kigali. Dort haben wir eine der Kirchen besucht, in der
1994 so unglaublich viele Menschen umgebracht worden sind. Es war
schrecklich. Zumal Danny das alles vor 18 Jahren live miterlebt hat.
Er ist damals mit seiner Familie in den Kongo geflüchtet. Es war
auch für ihn das erste Mal, diese Kirche zu besuchen. Auf der
Rückfahrt haben wir kein Wort mehr gesprochen – uns dreien fehlten
einfach die Worte.
Am Freitag den 19. früh sind wir dann
wieder in Kampala angekommen. Auf dem Weg vom Busbahnhof zum Taxipark
wurden Esther und ich von einem betrunkenen Geisteskranken verfolgt.
Er ist bestimmt 15 Minuten hinter uns hergelaufen, hat uns
beschimpft, wir hätten seine Familie umgebracht und hat sogar
versucht uns anzuspucken. Solche Angst hatte ich glaube in meiner
gesamten Zeit hier noch nie. Waren dann unglaublich froh als wir
irgendwann im Gewirr der Straßen und Menschen den Taxipark gefunden
hatten und im Taxi zurück nach Entebbe saßen.
Noch am gleichen Tag hab ich ziemlich
hohes Fieber bekommen und hab total Panik geschoben bezüglich
Malaria.
Am nächsten Tag gings mir schon wieder
besser, aber meine Gasteltern haben trotzdem darauf bestanden, einen
Malariatest zu machen. Also bin ich zum Taxipark hier in Entebbe .
Dort war ein kleiner Raum, über dessen Eingang irgendwas mit Klinik
stand (eine Tür gabs nicht, nur einen Vorhang). Drinnen war eine
Frau mit Mikroskop und Spritze (Esther hat zum Glück gesehen, dass
sie Nadel aus einer neuen Packung geholt wurde, sonst hätte ich
jetzt wahrscheinlich mehr Angst vor HIV oder sonstigen Krankheiten)
und der Test hat ca 15. Minuten gedauert. Sie hat mir in den Finger
gestochen und mein Blut dann unterm Mikroskop untersucht. Dann hat
sie mir noch einen Zettel in die Hand gedrückt auf dem irgendwas
unlerserliches stand und meinte „No Malaria“. Da war mein Tag
dann gerettet.
Ich war super froh, wieder zurück in
Entebbe zu sein. Rumreisen ist ja super schön und interessant, aber
irgendwie haben mir schon nach so kurzer Zeit die kleinen Fratze im
Malayakahaus gefehlt. Sie sind es einfach, die mich hier jeden Tag
glücklich machen.
Am Mittwoch bin ich dann mit meinem
Gastvater, Lorenz und meinen Gastbrüdern nach Jinja gefahren zu
Function von Hope, meiner Gastcousine. Die Function ist eine riesige
Feier vor der Hochzeit, bei der der Bräutigam den Eltern der Braut
vorgestellt wird und quasi um die Erlaubnis bittet, sie heiraten zu
dürfen. Dazu hatten wir wieder die traditionelle Kleidung an und als
„Schwestern“ der Braut durften wir auch wieder vor allen Leuten
zu Begrü0ung tanzen. Das macht einfach so super viel Spaß.
Vielleicht auch gerade deshalb, weil die Leute es nicht gewohnt sind,
Muzungu in ihren Gewändern zu sehen. Uns wurde wieder von etlichen
Leuten gesagt, wie smart wir doch sind. Ansonsten dauerte die
Function ewig lang und ich war froh, neben Joseph, dem Mann meiner
Gastschwester Joy, zu sitzen. Er hat mir nämlich die ganzen Bräuche
und Rituale erklärt. Ansonsten hätte ich wohl absolut nichts
verstanden, die ganze Veranstaltung war nämlich auf Luganda. Abends
gabs dann großes Buffet. Und es wurde mit den Fingern gegessen. Reis
mit Soße. Das war auch für mich eine neue Erfahrung und ich hab
mich irgendwie ziemlich unwohl dabei gefühlt.
Am Samstag steht das nächste Event an
– nämlich die Hochzeit. Ich bin mal gespannt.
Die Nacht von Samstag auf Sonntag
bleiben wir dann direkt in Kampala und werden Sonntag früh abgeholt
zur Safari bei den Murchisonfalls. Ich werde berichten.
Am letzten Sonntag war Elternsprechtag
in der Entebbe Junior, der Schule unserer Kids. Wir waren zu sechst
dort und haben uns anschließend zusammengesetzt um zu überlegen,
was man verbessern kann. Walther ist momentan hier und es ist toll,
von ihm zu hören, welche Fortschritte die Kinder allein in den
letzten 8 Monaten gemacht haben. Ganz zu schweigen von den Jahren
davor. Es ist auch schön, kleine Fortschritte zu sehen. Und es ist
schön zu sehen, wie die Kids einem immer mehr vertrauen und sich mit
der Zeit feste Bindungen entwickeln. Es tut so gut, die Kids um sich
zu haben. Deshalb freue ich mich auch am meisten auf den November,
den ich wieder voll und ganz im Malayakahaus und der Schule
verbringen werde.
So langsam wird mir bewusst, dass meine
Zeit hier sich schon ganz bald dem Ende zuneigt. Es ist immer richtig
seltsam zu hören, dass ihr in Deutschland friert, Blätter fegen
müsst und schon die ersten Weihnachtslieder im Radio laufen. Ich
werde hier glaub ich so gar nicht in Weihnachtsstimmung kommen. Es
ist die meiste Zeit nach wie vor richtig heiß – fast schon zu
heiß, um sich zu bewegen. Kriege dann glaub ich erstmal einen
Kälteschock wenn ich zurück in Deutschland bin. Und danach freue
ich mich auf das deutsche Essen. Oh Gott ich freu mich so
unglaublich. Und darauf, alles in die Waschmaschine zu stopfen und es
wirklich sauber wieder raus zu holen. Auf Dauer ist die Handwäsche
doch nervig.