Freitag, 10. August 2012

Kampala - eine ganz spezielle Hauptstadt


Aufgrund von Ebola und anderen Umständen habe ich es doch tatsächlich erst in meiner vierten Woche hier geschafft, nach Kampala zu kommen. Dabei ist Kampala gar nicht so weit weg von Entebbe. Am Freitag haben wir uns um 10 auf den Weg gemacht. Esther, Rebecca, Marcella und mir stand eine ganz neue Erfahrung und irgendwie auch ein Abenteuer bevor. Zum Glück war Tabea dabei, sie kennt das ja alles schon. Kampala ist nämlich echt nichts für schwache Nerven. Und das sage ich nicht nur, weil ich Dorfkind bin.
Mit dem Matattu kann man direkt von Entebbe über die Mainroad nach Kampala durchfahren. Dabei ist „durchfahren“ wohl eher relativ – alle paar Minuten stoppt das Taxi und Leute steigen aus, bzw. neue ein. Wir hatten das Glück, die Plätze in der letzten Reihe zu ergattern, weshalb wir nicht dauernd für andere Mitfahrer aus- und einsteigen mussten. Dazu muss man vielleicht wissen, dass Matattus hier in der Regel immer randvoll mit Menschen gepackt werde, bevor sie losfahren. Da ist so ein kleiner Bus dann ganz fix mal mit 16 oder 17 Leuten vollgepackt. Manchmal zusätzlich mit einer Menge Gepäck. Zählt man die Kinder dazu, die auf dem Schoß ihrer Mutter sitzen kommt man sogar auf bis zu 20 Leute. Aber das ist für mich eigentlich schon nichts neues mehr. Der Taxipark in Entebbe ist nur 5 Minuten von meinem Zuhause entfernt, weshalb ich oft mit dem Taxi statt dem Bodaboda in die Stadt fahre. Das kostet dann ungefähr 17 Cent pro Fahrt. Die Hinfahrt nach Kampala kostet ungefähr 85 Cent. Verdammt wenig, wenn man bedenkt, dass man mindestens eine Stunde unterwegs ist. Eine Stunde Fahrt ist übrigens echt der Optimalfall. Anne hat erzählt, dass sie für die Rückfahrt von Kampala nach Entebbe auch schon mal 6 Stunden (!) gebraucht hat. Das ist immer abhängig vom Verkehr und der Zeit, zu der man hin bzw. zurück fährt.
So saßen wir 5 also um 10 Uhr morgens im Matattu auf dem Weg nach Kampala. Schon auf dem Weg war der Himmel fast schwarz und die ersten Tropfen ließen nicht lange auf sich warten. Als wir ankamen, lag ein grauer Dunst über der Stadt, „Willkommen in Kampala!“. Ich hatte mich schon in Entebbe daran gewöhnt, dass Verkehrsregeln – sofern es sie überhaupt gibt – eigentlich nie beachtet werden. Weder von Matattus, noch von Autos, noch von Bodas, noch von Radfahrern und von Fußgängern sowieso nicht. Man hat immer das Gefühl, dass jeder einfach geradeaus dahin geht oder fährt wo er hin will. In Entebbe ist das ja noch harmlos. In Kampala hat man ständig das Gefühl, dass es in den nächsten Sekunden einfach krachen muss, so eng wie da alle aneinander vorbeifahren. Das war auch eine der ersten Sachen die mein Gastvater mir hier ans Herz gelegt hat: Warte immer bis die Straße frei ist, hier bremst keiner, auch nicht für Fußgänger.
In Kampala angekommen, dauerte es noch ca. 15 Minuten, bis wir am Old Taxi Park waren. Währenddessen wurde der Regen stärker. Plötzlich war die ganze Stadt in Bewegung. Alle rannten irgendwo hin und versuchten ihr Hab und Gut vor dem Regen zu schützen. Das sah einfach nur so verrückt aus. Und trotz heillosem Durcheinander hatte man das Gefühl, dass alles irgendwie einfach funktioniert und jeder weiß was er tun muss bzw. wo er hin rennt. Auch wir rannten mehr oder weniger vom Taxi Park zu einer nahe gelegenen Tankstelle um uns vor dem immer stärker werdenden Regen zu schützen. Die Straßen waren relativ schnell überflutet, einfach aus dem Grund, weil die Menschen hier ihre ganzen Abfälle entweder verbrennen oder in die Kanalisation werfen. Alles war also überschwemmt von einer braunen Brühe. Wir hatten das Glück, rechtzeitig in das Verkaufsgebäude der Tankstelle zu gelangen, später wurden keine mehr reingelassen. Das Bild, dass sich uns beim Blick auf die Tankstelle bot war einfach nur verrückt. Etliche Bodabodafahrer, Frauen mit Kindern und Menschen jeden Alters versammelten sich um die Zapfsäulen um Schutz zu suchen. Ein riesen Gewimmel. Bis plötzlich ein großer, grüner Bus die Tankstelle anfuhr um zu tanken. Das Gewimmel wurde immer größer, Menschen mussten Platz machen, einige Männer wiesen den Busfahrer an vorwärts zu fahren, obwohl Menschen direkt vor dem Bus standen. Aber wie immer hier regelte sich alles irgendwie von alleine. Nach ca. 1 Stunde in der Tankstelle wurde der Regen weniger und der Chef der Tankstelle (oder sowas ähnliches, zumindest hat er sich ziemlich wichtig gemacht) wollte uns persönlich zu einem ugandischen Restaurant führen, weil Rebecca und Marcella ugandisch essen wollten. Sie wussten tatsächlich nicht was Posho ist, dieser nach nichts schmeckende Reisbrei, den es hier fast jeden Tag gibt. Das erste Restaurant hatte glaub ich leider nur Pommes, weshalb uns der Tankstellenchef zu einem anderen führte. Quer über die Straße, zwischen hunderten Matattus, Bodabodas und Menschen ging es zu einem großen Klamottenladen. Wir wurden ständig angequatscht mit „Hey Muzungu we make good prices“ und „Hey my friend, you want to buy something“. Die Marktschreier und Verkäufer hier machen ihren Job echt gut. Auch wenn es mittlerweile manchmal wirklich nervt, ständig angequatscht zu werden. Das ugandische Restaurant befand sich im dritten Stock eines Hochauses. Da ziemlich wenig los war, konnten wir uns auf den Balkon setzen und das Treiben auf der Straße von oben betrachten. Das wurd auch nach einer halben Stunde nicht langweilig. Ugandisch Essen musste ich ja nun wirklich nicht, das kann ich jeden Tag Zuhause, deshalb hab ich mich mehr aufs Gucken und Leute beobachten konzentriert. Von oben sah das Verkehrschaos noch viel beeindruckender aus. Die Kellnerin im Restaurant hat mehr als das Doppelte für das Essen verlangt, als es hier in Entebbe kostet. Und normalerweise ist in Kampala alles noch günstiger. Hier wählt man beim Essen die Sauce (Chicken, Beef, Goat oder Fisch mit Sauce) und kann dann dazu so viel Reis, Chapati (herzhafte Pfannekuchen, die man auch an jeder Straßenecke für ca. 17 Cent kaufen kann), Matoke (Kochbananen-Matsche) oder Posho ( der Maisbrei, der nach nichts schmeckt) haben. Die Teller sind immer so richtig vollgepackt, wenn man nicht gerade ganz viel Hunger hat, schafft man die Portionen kaum. In Entebbe zahlt man für so eine Portion ca. 1 Euro. Aber die meisten Ugander versuchen bei Weißen höhere Preise zu verlangen, weil sie wissen (oder eher denken), dass wir Weißen alle ganz viel Geld haben. Das ist aber eigentlich überall so. Deshalb ist es immer gut, zu wissen, was Ugander für bestimmte Lebensmittel bezahlen, um nicht über den Tisch gezogen zu werden.
Nach dem Essen sind wir mit 3 Bodabodas zum Women's Craft Market gefahren. Auch hier musste Tabea erstmal mit mehreren verhandeln, um einen fairen Preis zu bekommen. Die Fahrt dorthin war ein echtes Abenteuer. Rebecca ist mit Marcella auf einem Boda gefahren, Esther mit mir und Tabea alleine. Nach ca. 5 Minuten Fahrt hatten wir uns schon alle verloren. Zum Glück hatten alle 3 Bodas das gleiche Ziel. Ich war froh, Esther bei mir zu haben – der Bodafahrer ist so unglaublich halsbrecherisch gefahren, dass ich a) jeden Moment damit gerechnet haben, dass wir entweder einen anderen Boda oder ein Taxi crashen oder b) kopfüber vom Motorrad fallen. Dieses Fahrverhalten, was bei uns in Deutschland sofort strafrechtlich verfolgt werden und zum Entzug des Führerscheins führen würde, ist hier aber ganz normal. Da muss man sich einfach dran gewöhnen. Aber ganz ehrlich gesagt macht es irgendwie auch echt Spaß da durch die Straßen zu heizen. Hat was von einer Achterbahnfahrt. Es gibt übrigens sogar funktionierende Ampeln in Kampala. Die sind aber glaub ich mehr zur Zierde da. Und Polizisten gibt es auch. Die stehen dann da in weißen Anzügen mit Uniformmütze und Trillerpfeife und wollen ganz wichtig wirken während sie da rumpfeifen. Ich hatte aber eher den Eindruck, dass es kein Schwein juckt. Hier haben auch nur ein paar wenige Bodabodas überhaupt eine Lizenz zum Bodafahren. Nämlich die, die gelbe oder orange Warnwesten tragen. Liebe Mami, zu deiner Beruhigung: Dennis, der mich jeden Tag zum Malayakahaus und auch sonst wo hin fährt, hat so eine ;-) Letztens sind wir aber auch schon zu viert mit nem anderen Boda zum Strand gefahren. Hab dann direkt einen kleinen Anschiss von meinem Gastvater bekommen, der meinte zu zweit wär ja okay, aber zu dritt müsste echt nicht sein. War aber lustig, und die Strecke war ja auch nicht lang.
Nach ca. 10 erlebnisreichen Minuten auf dem Boda durch Kampala haben wir uns alle wieder am Craft Market getroffen. Craft bezeichnet hier alles, was handgemacht ist. Das heißt geschnitzte Masken, Kochlöffel, Armbänder, Sandalen, Taschen, afrikanische Skulpturen, und was man sonst noch so alles als Souvenier mit nach Hause bringt. Der Markt ist einfach nur ein Traum. Hätte Stunden da verbringen können. Für's Erste habe ich aber nur eine Tasche (für 3 Euro), Sandalen und eine kleine Schildkröte aus Holz gekauft. Esther und ich haben schon gesagt, dass wir da in unseren 5 Monaten wohl echt ne Menge Geld lassen werden, auch wenn alles so günstig ist. Aber alleine wenn ich an all die Leute Zuhause denke, denen ich eine Kleinigkeit mitbringen will :-) Zum Glück ist der Craft Market immer nur Freitags, so bleiben mir schon nur noch 18 Tage, an denen ich ausgiebig dort shoppen kann.
Nach 2 Stunden Craft Market sind wir per Boda zum Supermarkt Shoprite gefahren. Der ist wohl ziemlich bekannt, weil es da wirklich alles gibt. Falls das Heimweh also mal ganz groß werden sollte, fahre ich da einfach hin und decke mich mit Haribo und Snickers ein, dann ist alles nur noch halb so schlimm :-) Heute haben wir uns außerdem noch super leckere Schokomuffins für umgerechnet ca 30 Cent gegönnt. Sooooooo gut! Und Mangosaft hab ich noch gekauft. Ebenfalls sehr lecker und gut zum Mischen, denn das Wasser hier schmeckt nicht wirklich immer gut (auch wenn viele meinen, dass es zwischen Wasser und Wasser keinen Unterschied gibt – ich sag euch den gibt es, kommt nach Uganda und ihr werdet es selbst merken ;-))
Nach 5 Stunden Kampala hatten wir dann aber auch die Nase voll und haben den Weg zurück zum Taxi Park gesucht. Wieder mal war ich froh, Tabea dabei zu haben. In Kampala werde ich mich wohl nie zurecht finden. Das fällt Tabea selbst nach 9 Monaten manchmal noch schwer, sagt sie.
Als wir im Taxipark dann im Matattu saßen, kamen etliche Jungs an die Fenster um uns Sachen zu verkaufen. Überwiegend kalte Getränke, aber auch Kekse, Seife oder Taschentücher. Das ist ein bisschen wie im Drive-In, nur anders rum. Man sitzt in einem stehenden Auto, während die Verkäufer ankommen, um ihr Zeugs loszuwerden.
Fran, einer der Spanier, hatte Esther vorher gesagt, wir sollten vor 14 Uhr zurückkommen, da wir sonst in die Rushhour kommen würden. Die war auch da, aber irgendwie war alles nur halb so wild. Der Verkehr stand fast nie komplett, irgendwer konnte immer fahren. Tabea hat den Verkehr hier mit einem Puzzle verglichen. Und das passt einfach perfekt.
Nach nur einer Stunde waren wir schon wieder zurück in Kampala. Esther ist dann noch mit zu mir nach Hause gekommen und wir haben Mangosaft getrunken und von der Straßenecke auf dem Markt hier in Kitoro Samosas (frittierte Teigtaschen) und ganz ganz trockenen Kuchen gegessen.
Das war also Kampala. Jetzt bin ich um einige Eindrücke und Erfahrungen reicher, hundemüde und ich weiß, dass das auf jeden Fall nicht mein letztes Mal in Kampala war, auch wenn die Stadt auf manche Touristen durchaus eine abschreckende Wirkung haben mag.

1 Kommentar:

  1. Hey!!! bin irgendwie auf dein Blog gelandet und es macht echt spaß zu lesen. Mag es! komm selber aus entebbe aber bin seit zwei jahren weg. genieß die zeit dort! Entebbe Rocks! :)

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